Immer wieder wird von Geschädigten die Frage aufgeworfen, ob und ggf. inwieweit Schmerzensgeldzahlungen aus ärztlichen Behandlungsfehlern bei der Bewilligung von - einkommens- und vermögensabhängigen und damit nachrangigen - Sozialleistungen zu berücksichtigen, insbesondere als anzurechnen sind.
Diese Frage ist deshalb häufig von Bedeutung, weil Personen, die wegen eines nachweisbaren ärztlichen Behandlungsfehlers oder aus anderen Haftungsgründen eine schwere Schädigung erlitten haben, heutzutage Schmerzensgeldansprüche in nennenswerter Höhe - bei schwersten Schädigungen in sechsstelliger Größenordnung - geltend machen können. Es wird dann auch die Frage aufgeworfen, inwieweit das gezahlte Schmerzensgeld bei den Sozialleistungen zu berücksichtigen ist. Als Sozialleistungen kommen hier insbesondere in Betracht die Sozialhilfe, die Grundsicherung, das Arbeitslosengeld II (Hartz IV), sowie das Wohngeld.
Eine einheitliche und klare Regelung hat der Gesetzgeber trotz vielfacher Forderungen bislang nicht getroffen. Allerdings ist in einigen Bereichen, so für das Arbeitslosengeld II, in § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II und für die Sozialhilfe in § 83 Abs. 2 SGB XII geregelt, daß Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, gemäß § 253 Abs. 2 BGB geleistet werden - dies beschreibt das Schmerzensgeld - nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Da Einkommen aber immer zeitbezogen ist und sich damit auf den jeweiligen Monat des Zuflusses bezieht und das nicht verbrauchte „Einkommen" nach Ablauf des Monats Vermögen darstellt, hat diese Regelung für sich genommen zunächst keine große Bedeutung.
Allerdings wird daraus gefolgert, daß der nach Ablauf des jeweiligen Monats, in dem gezahlt wurde, nicht verbrauchte Teil des Schmerzensgeldes - dies wird in aller Regel der größte Teil, wenn nicht das vollständige Schmerzensgeld sein - auch als Vermögen anrechnungsfrei zu bleiben hat. Die vorgesehenen Freigrenzen (Schonvermögen) helfen nicht weiter, da viel zu niedrig.
Hierzu hat jetzt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem Beschluß vom 07.02.2011 (Aktenzeichen 4 LC 151/09) entschieden, daß auch beim Wohngeld eine Schmerzensgeldzahlung nicht zum Gesamteinkommen zählt, das (mindernd) zu berücksichtigen ist. Weiter hat das Gericht entschieden, daß das Schmerzensgeld auch nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Lediglich die Zinserträge, die aus der Anlage des Schmerzensgeldes resultieren, sind bei der Berechnung des Wohngeldes als Einkommen zu berücksichtigen.
Diese Entscheidung entspricht der dazu verbreiteten Auffassung, insbesondere in der juristischen Literatur. Aus Sicht des Verfassers kann sie auf sämtliche einkommens- und vermögensabhängigen, nachrangigen Sozialleistungen ausgedehnt werden.
Verfasser: Peter A. Aßmann, Fachanwalt für Medizinrecht