Arbeitsrecht: Entscheidungen
BAG kippt Tariffähigkeit der CGZP
Newsletter Arbeitsrecht vom 10.05.2011
BAG kippt Tariffähigkeit der CGZP
(Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen)
Equal Pay in der Leiharbeit
Die Diskussion um Mindestlöhne wird nach wie vor kontrovers und heftig geführt. Besondere Bedeutung hat sie sicher im Bereich der Leiharbeit, weil in vielen Unternehmen zur Reduzierung der Personalkosten ein beträchtlicher Teil der Arbeit von, meist gegenüber der Stammbelegschaft schlechter bezahlten Leiharbeitern ausgeführt wird.
Hierbei handelt es sich oft um Dauerarbeitsplätze über Jahre hinaus. Dieser Zustand wird vielfach als nicht hinnehmbarer Mißbrauch gesehen. Dabei hat andererseits Leiharbeit ihre Berechtigung und ist oft hilfreich, um kurzfristige Belastungsspitzen und konjunkturelle Beschäftigungsschwankungen auszugleichen.
In der meist politisch geführten Diskussion mit der Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" scheint allerdings meist nicht bekannt zu sein, daß es eine entsprechende gesetzliche Regelung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für die Leiharbeit seit langem gibt. § 9 Nr. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) bestimmt eindeutig, daß Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes vorsehen, unwirksam sind. Damit ist der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gesetzlich festgeschrieben.
Allerdings kam und kommt dieser Grundsatz leider vielfach nicht zum Tragen, da in dem Gesetz eine Ausnahmeregelung vorgesehen ist für den Fall, daß ein einschlägiger Tarifvertrag abweichende Regelungen zuläßt. Dies trägt der in Deutschland überragenden Bedeutung der Tarifautonomie im Arbeitsleben Rechnung. Eine Abweichung ist aber nicht nur bei direkter verbindlicher Geltung eines Tarifvertrages möglich, sondern auch dann, wenn nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren, also der einschlägige Tarifvertrag in Bezug genommen wird.
In dieser Bezugnahmemöglichkeit liegt auch das eigentliche Problem, nämlich die zum Teil flächendeckende Umgehung des Equal-Pay-Prinzips.
Es haben nämlich nicht nur die großen Tarifvertragsparteien, auf Arbeitnehmerseite insbesondere die zuständigen DGB-Gewerkschaften, teilweise Tarifverträge geschlossen, deren Arbeitsbedingungen unter denen sonst in den Entleiherbetrieben geltenden Regelungen liegen. Eine besonders krasse Umgehung ist dadurch versucht worden, daß sich in diesem Bereich zum Teil neue sog. „Arbeitgeberverbände" und „Gewerkschaften" gebildet haben und dann Tarifverträge miteinander zu wesentlich schlechteren Arbeitsbedingungen, insbesondere „Dumpinglöhnen" geschlossen haben. Eine dieser „Einrichtungen" auf Arbeitnehmerseite ist die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen" (CGZP).
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 14.12.2010 (Aktenzeichen 1 ABR 19/10) entschieden, daß diese Tarifgemeinschaft keine Spitzenorganisation darstellt, welche Tarifverträge schließen kann. Dies vor dem Hintergrund, daß tariffähig nur solche Arbeitnehmerorganisationen sind, die einerseits ein gewisses Mindestgewicht haben, um überhaupt effektiv Tarifvertragsverhandlungen führen zu können und außerdem auch grundsätzlich bereit sein müssen Arbeitskämpfe zu führen, da anderenfalls eben die für ein ausgewogenes Tarifergebnis erforderliche Mächtigkeit nicht gegeben ist.
Die Konsequenz dieser Entscheidung ist, daß die von der CGZP geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind. Dies hat im weiteren zur Folge, daß alle Arbeitsverträge mit Leiharbeitern, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, insbesondere der Vergütung, auf diese Tarifverträge Bezug nehmen, keine wirksame Abweichung vom Grundsatz „Equal Pay", wie er in § 9 Nr. 2 AÜG festgeschrieben ist, enthalten. Das bedeutet im Ergebnis, daß diese Arbeitnehmer einen Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen haben, wie vergleichbare Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb. Meist bedeutet dies eine wesentlich höhere Vergütung, teilweise bis zum Doppelten der vorherigen Bezahlung. Dies gilt im übrigen auch, soweit jetzt mit Wirkung zum 01.05.2011 im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit zuletzt beigetretener EU-Mitgliedsstaaten (insbesondere Polen) noch kurz vor Toresschluß von der Bundesregierung ein Mindestlohn für die Leiharbeit festgelegt wurde.
Leiharbeitnehmer sollten dringend prüfen, ob ihr Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf den Tarifvertrag der CGZP enthält. Ist dies der Fall, sollten sie ihre Vergütungsansprüche entsprechend dem Grundsatz „Equal Pay" umgehend geltend machen. Dazu besteht ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Entleiherbetrieb hinsichtlich der dort einschlägigen Arbeitsbedingungen. Der Anspruch kann im übrigen auch rückwirkend geltend gemacht werden, wobei nach Auffassung des Unterzeichners jedenfalls zur Zeit weder Verjährungsfristen noch Verfallklauseln dem entgegenstehen.
Verfasser: Peter A. Aßmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht