Arbeitsrecht: Entscheidungen
Arbeitsrecht: Weniger Urlaub bei Kurzarbeit
30.11.2021
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem brandaktuellen Urteil vom 30. November entschieden, dass der vollständige Ausfall einzelner Arbeitstage wegen Kurzarbeit bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen ist. Die Entscheidung hat im Hinblick auf den wegen der Korona-Pandemie erheblichen Umfang von Kurzarbeit in vielen Betrieben große praktische Bedeutung.
Im konkreten Fall war es so, dass die Arbeitnehmerin als Verkaufshilfe an drei Tage in der Woche mit Backtätigkeiten beschäftigt war. Der im Arbeitsvertrag vereinbarte Urlaubsanspruch belief sich für diesen Arbeitsumfang anteilig auf 14 Arbeitstage.
Aufgrund pandemiebedingter Arbeitsausfälle führte die Arbeitgeberin Kurzarbeit ein. Dazu trafen die Parteien Kurzarbeitsvereinbarungen, wonach die Arbeitnehmerin u.a. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete.
Aus Anlass der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm die Beklagte eine Neuberechnung des Urlaubs vor. Sie bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage. Die Klägerin hat dagegen geklagt und dabei den Standpunkt eingenommen, kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, den Urlaub zu kürzen. Für das Jahr 2020 stünden ihr weitere 2,5 Urlaubstage zu.
Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Nach dem Urteil des BAG hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere 2,5 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020. Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Dies gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien – wie im vorliegenden Fall – für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Klägerin errechnete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die von der Beklagten berechneten 11,5 Arbeitstage. Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
(Quelle: BAG, Pressemitteilung Nr. 41/21; Urteil vom 30. November 2021 – 9 AZR 225/21)
Wichtig: Das gilt nicht nur bei einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit. In einem weiteren Urteil vom gleichen Tag (BAG Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 234/21) hat das BAG entschieden, dass diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung eingeführt wurde.
Peter A. Aßmann,
Fachanwalt für Arbeitsrecht